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Das Bio-Vegane Netzwerk ist Teil des BVL

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BVL Schreibwettbewerb - Platz Nr. 4 - Erst am Ende von Karolin Hofer

waffle-1149934_1920Der Duft von frisch gebackenen Waffeln strömt über den langen, sonst so grauen Flur.

Ein Gefühl von vertrauter und wohliger Geborgenheit kommt in mir auf. Ganz ungewohnt an diesem Ort. Der doch eigentlich für das Gegenteil zu stehen scheint. Man kommt gar nicht umher, kurz hineinzuschauen, durch die Glastür in den Aufenthaltsraum. Für einen Moment beobachte ich die Menschen aller Altersklassen, wie sie voll ungeahnter Energie Obst schneiden, Waffeln backen und Getreidekaffee kochen. Das Summen des Mixers untermalt die bunte Szenerie. Es ist eine willkommene Abwechslung zum sonst unermüdlich schrillen Alarmton der Mikrowelle. Auf dem Tisch finden sich leuchtend rote Beeren, goldgelbe Waffeln und grüne Smoothies. Sie haben das sonst so triste Kantinenessen verdrängt. Vegan hat Charme, das muss ich zugeben. Besonders an diesem Ort, in dieser Situation.

Früher roch es hier immer nach aufgewärmtem Fleisch, breiigem Gemüse und Mehlsoße. Jetzt versuchen die Menschen hier mit veganer, vollwertiger Ernährung das Ruder noch einmal herum zu reißen. Ich bewundere jeden einzelnen dafür. Für die Hoffnung, den Mut, die Motivation, und den festen Glaube daran, das Blatt wenden zu können.

„Irgendwann geht auch dieser Trend vorüber,“ denke ich im stillen und klammere mich an meinen Latte Macchiato. Glücklicherweise ist er in einem Kaffe-to-go-Becher versteckt, so ist der Grund für das mich langsam beschleichende, schlechte Gewissen nicht direkt für alle sichtbar. Dass es da ist, kann ich nicht leugnen. Ich stehe noch immer im Türrahmen. Mein Blick senkt sich und erneut betrachte ich meinen Becher. Anschließend drehe ich mich um und schaue ich hinüber zur anderen Seite des Ganges. Dort ist der Aufenthaltsraum meiner Kollegen. Auf den Tellern schwimmt aufgewärmtes Kantinenessen. Welch ein Kontrast. Dazu die gute Stimmung hier und das schweigsame Hinunterschlingen im Personalraum.

Eine ganze Weile stehe ich da und lasse die Eindrücke wirken. Betrachte meinen Kaffee. Es ist doch verwunderlich. Warum begreifen wir es erst, wenn es dem Ende zu geht? Erst wenn er anfängt zu rebellieren, nehmen wir ihn wahr. Unseren Körper. Doch man kann nie wissen, wann es zu Ende ist. Das Leben. Aber man kann es achten. Das eigene und das der anderen Lebewesen. Denn schließlich sind wir alle nur zu Gast. Auf der Erde. Warum kommt erst am Ende der Gedanke daran, was bleiben wird, wenn wir gehen? Hat unser Leben und das der Anderen es nicht schon vorher verdient, geliebt zu werden? Sterben gehört zum Leben. Der Tod wird kommen. Das kann man nicht ändern. Nur das, was wir hinterlassen, können wir beeinflussen. Ich dachte, es geht nur um die eigene Gesundheit. Doch es geht um mehr. Um Verantwortung. Für alle.

Ich lehne im Türrahmen, lausche zum ersten Mal bewusst den Dialogen. Mehr und mehr merke ich, es geht nicht ums Überleben, sondern es geht um das, was bleibt. Was wir hinterlassen. Irgendwie hat es in diesem Moment Klick gemacht. Der Groschen ist gefallen. Der Kaffeebecher auch.

Ich habe all die Argumente immer gehört, sie nur nicht richtig wahrgenommen. Weil es bedeutet hätte, nachzudenken und etwas ändern zu müssen. Immer wieder schaue ich auf die Menschen vor mir. Ich kenne sie alle. Ihre Schicksale. Ich bin überwältigt. Mir war klar, dass diejenigen, die noch voller Hoffnung auf Heilung sind, die Ernährung überdenken. Doch nun sehe ich auch die, die wissen, dass sie es nicht schaffen werden. Sie möchten mit dem guten Gefühl gehen, gewissenhafter Gast auf diesem Planeten gewesen zu sein. Egal wann sie gehen. Es ist nie zu spät anzufangen. Erst am Ende wird abgerechnet.

Krankenschwester auf der Krebsstation. Man lernt nie aus. Man lernt fürs Leben. Ich wünsche den tapferen Kämpfern da draußen, dass sie es schaffen. Und denen, die nicht kämpfen müssen, dass sie es wertschätzen. Für mich war dies der erste Tag meines neuen Lebens. Bisher fühlt es sich gut an. Das Leben. Wichtig ist, dass es Sinn hat. Egal, wann es zu Ende geht. Vielleicht muss man gar nicht selbst am Ende stehen, um die Verantwortung zu spüren. Vielleicht reicht es, davon zu lesen.

von Karolin Hofer

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