An den Journalisten, der wohl ziemlich angepiekst ist
Antwort auf einen Artikel in der Huffington Post
Nein, ich habe die Sendung “Hart aber Fair”, auf die Sie sich beziehen, nicht gesehen. Ich habe kein Interesse mehr an Sendungen, in denen über die vegane Ernährung diskutiert wird, aber nur maximal ein vegan lebender Mensch sich gegen fünf andere behaupten soll. Ich lese jetzt nur Ihre Reaktion auf das was Sie gesehen haben.
Man hat Ihnen den Spiegel vorgehalten und Sie fühlen sich beschimpft. Weil der Vorwurf, alle Nicht-Veganer seien Mörder, Sie mit betrifft, als Flexitarier. Leider sind Sie nun einmal Teil der Maschinerie, die Tiere einsperrt, benutzt und tötet, um ihre Muttermilch zu trinken, ihr Fleisch zu essen und ihre Haut zu benutzen. Vermutlich streuen Sie auch Knochen- und Blutmehl in ihren Garten und glauben, ohne das würde ihr Rasen nicht wachsen. Das alles gehört in Ihren Verantwortungsbereich. Ist das Mord? Nein, wenn man die aktuelle Gesetzgebung betrachtet. Ja, wenn man das Töten mit Vorsatz aus niederen Beweggründen (wir brauchen keine Tierprodukte, daher ist es nicht nötig, Tiere zu töten und zu essen) an einem empfindungs- und leidensfähigen Lebewesen betrachtet. Natürlich können Sie argumentieren, dass Sie selbst kein Mörder sind. Sie geben den Auftrag ja an andere weiter und zahlen nur dafür.
Vegan lebende Menschen sind sich bewusst, dass wir Säugetiere in einem Ökosystem sind und kein Recht haben, unseren Mitgeschöpfen ihr Leben zu zerstören, ihnen unseren Willen aufzuzwingen, bloß weil wir es können. Diese Entwicklung hat die Menschheit in Bezug auf Sklaverei, Gleichstellung der Frau oder Kinderarbeit zumindest in den westlichen Ländern bereits größtenteils umgesetzt. Nun erkennen wir – sogar gerichtlich – dass Vögel ein Recht haben, frei zu fliegen und dass die Gewohnheit, Fleisch zu essen und Milch zu trinken, kein unantastbares Kulturgut mehr ist, sondern dass ein gesellschaftlicher Wandel begonnen hat. Vegane Eltern setzen diese Haltung konsequent um und lehren ihre Kinder wahren Respekt vor allem Leben. Dessen wird sich wohl kaum jemand schämen.
Inkompetenz wohin man schaut
Eltern berichten auf Tofu-Family und anderswo über die Gesundheit ihrer Kinder, um zu zeigen, dass die Richtlinien der DGE schon lange überholt sind. Das haben die großen Ernährungsgesellschaften der USA, Kanadas und Australiens schon längst erkannt. Seit Jahren gibt es dort entsprechende Positionspapiere, die deutlich machen, dass die vegane Ernährung in jedem Lebensalter und jeder Lebenssituation durchführbar ist und sogar als Heilmittel gegen unsere Zivilisationskrankheiten eingesetzt werden kann. Dass die DGE, in der auch Vertreter der Fleisch- und Milchindustrie sitzen, sich dem immer noch nicht anschließen will und sich durch extreme Inkompetenz auszeichnet, weil sie noch nicht einmal den Unterschied zwischen Veganern und Makrobiotikern kennt, ist peinlich.
Eltern, die ihre Kinder wirklich gesund vegan ernähren wollen, finden in Deutschland also nur wenig Hilfe. Wenn es dann zu Ernährungsfehlern kommt, wird die Ernährungsweise angeklagt. Sollte man nicht lieber die mangelnde Kompetenz der Ärzteschaft und der herkömmlichen Ernährungsberater anprangern? Der Bund für Vegane Lebensweise und Tofu-Family gehören zu denen, die die Elternkompetenz stärken.
Vitamin B12-Mangel – kein rein veganes Problem
Eine gut geplante vegane Ernährung ist vielfältig und bedient sich aus allen Nahrungsmittelgruppen: Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte sowie Nüsse und Samen. Die Versorgung mit Eisen, Calcium und anderen Mikronährstoffen ist dann völlig unproblematisch, wie die Bluttests vieler vegan aufwachsender Menschen immer wieder zeigen.
Eine Blutuntersuchung auf einen Vitamin B12-Mangel sollten jedoch auch die Mischköstler machen lassen, denn der B12-Mangel ist weit verbreitet. Geschädigte Magenschleimhäute und viel Stress gibt es auch unter Fleischessern. Manche Medikamente senken als Nebenwirkung den Vitamin B12 Spiegel, z. B. Metformin, das am häufigsten verschriebene Medikament für Typ-2 Diabetiker. Hinzu kommt, dass die meisten Tiere ihr B12 im Tierfutter zugesetzt bekommen, weil sie eben auch nicht mehr draußen auf der Weide leben. Eine Supplementierung über den Umweg des Tiers sollte wirklich nicht als Argument für Fleischverzehr genannt werden.
Weitere Informationen zum Thema Vitamin B12 finden Sie im Gesundheitsbereich.
Elternaufgabe Werte vermitteln
Sie schreiben, Kinder könnten noch nicht selbst wählen und wir dürften ihnen nicht vorschreiben, was sie essen sollen. Aber genau das tun alle Eltern, wenn sie einem nur wenige Monate alten Säugling fleischhaltigen Brei in den Mund stopfen. Wenn sie ihnen das Kaninchen, das Kinder so gern streicheln und bekuscheln als Ragout auf dem Teller servieren, aber nicht zulassen, dass dem Kind klar ist, wen es da in Stückchen vor sich liegen hat. Solche Eltern lassen ihren Kindern auch keine Wahl.
Es ist die wichtigste Aufgabe von Eltern, für ihre Kinder zu entscheiden, solange die das noch nicht können und sie zu mündigen Erwachsenen zu erziehen, die in der Lage sind, selbstständig zu denken und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Dazu gehört, die eigenen Werte zu vermitteln. Wenn diese auf Gewaltfreiheit gegenüber Tieren aufbauen, dann muss genau das vermittelt werden.
Darüber hinaus ist es die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder vor Schaden zu bewahren. In einer Zeit, in der bereits 12-jährige Kinder mit erhöhtem Blutdruck oder dem metabolischem Syndrom als Vorstufe von Typ-2 Diabetes herumlaufen, muss die heutige Ernährungsweise viel mehr hinterfragt werden. Das ist unbequem. Lässt sich aber nicht ändern.
Jetzt sind Sie wieder dran
Es ist sicher nicht zielführend, Nicht-Veganer als Mörder zu bezeichnen. Weil das eine emotionale Abwehrreaktion hervorruft, aus der heraus es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich erscheint, sich mit der veganen Lebensweise zu befassen. Dafür haben Sie mein Mitgefühl. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das überwinden und wieder mit journalistischer Neutralität an das Thema herangehen können. Vielleicht hilft ihnen ja das wunderschöne Buch Ihrer Kollegin Hilal Sezgin dabei: Artgerecht ist nur die Freiheit. Bei Fragen können Sie sich auch gern an den Bund für Vegane Lebensweise wenden.


